Was ist eigentlich Schulterherein und was ist Schenkelweichen?

 

Und wofür sind diese Übungen gut?

Irgendwie geht es anscheinend um ein Beine kreuzen oder um ein Übertreten oder gar ein UNTERtreten? Schulterherein und Schenkelweichen wird häufig verwechselt.

In diesem Artikel räumen wir etwas auf und führen die Beinbewegungen des Pferdes etwas näher aus.

 


                                                     Foto: Nina Schmaus

Schenkelweichen:

Das Schenkelweichen ist lediglich ein zur Seite ausweichen der Hinterhand des Pferdes. Das kann z.B. so aussehen, daß das stehende Pferd den Schenkel oder die Gerte in Schenkellage gezeigt bekommt und daraufhin zur Seite tritt. Es kreuzt die Beine. Ihr kennt das möglicherweise von der Übung, das Pferd an die Aufstieghilfe herantreten zu lassen. Die Hinterhand steht manchmal etwas weiter vom Hocker entfernt. Man holt dann die Hinterhand zu sich heran oder geht von außen an die Hinterhand heran und lässt die Hinterhand von sich weg zur Aufstiegshilfe hinweichen.

Das Pferd in sich ist nicht weiter vorbereitet. Es ist nicht gelöst und nicht gestellt, nicht gebogen. Es lernt lediglich dem Schenkeldruck oder dem Anzeichen der Gerte zu weichen. Um es bildlich auszudrüken entspricht quasi jedes „Herumschieben des Pferdes in der Stallgasse“ einer Art Schenkelweichen. Es soll mit der Hinterhand „mal rumgehen“ und unserem Impuls weichen.

Schiebt man das Pferd allerdings auch genauso in der Bewegung in der Reitbahn herum, ohne es vorher zu lösen, zu stellen und zu biegen, kreuzt es nur die Beine und tritt am Schwerpunkt vorbei. Der Rücken schwingt nicht mit und das Pferd tritt nicht an die Hand heran. Schenkelweichen löst keine Tragkraft aus, ist aber dennoch eine Kommunikation und kann durchaus hilfreich sein, um das Pferd vorzubereiten bzw um überhaupt Reaktion ins Pferd zu bekommen.

Der Anspruch beim Schenkelweichen besteht also darin, daß das Pferd auf den Schenkel bzw die Schenkelhilfe reagieren und seitlich ausweichen soll.

Schulterherein:

Hinterfragen sollte man aber, was genau der Schenkel eigentlich auslösen soll. Was wir mit dem Schulterherein möchten, ist ein sich Vorwärts-Abwärts-streckendes Pferd. Das Gegenteil also von einem Kopf hochnehmen und einem weggedrückten Rücken. Wir möchten ein entspanntes Pferd mit schwingendem Rücken. Dazu brauchen wir eine Reaktion auf einen inneren Schenkel, nämlich: Den Kopf nach unten und nicht den Kopf nach oben zu nehmen. Wir brauchen eine Reaktion nach vorne und unten mit entspannter Muskuklatur. Schenkelweichen erzeugt diese Reaktion nicht. Denkt nochmal an das Pferd in der Stallgasse: es steht dort wie es steht und weicht zur Seite. Was fehlt ist der Vorwärts-Abwärts-Impuls und somit das „An-die Hand-Herantreten“ (Vorgriff aus der Hinterhand nach vorne, über den Rücken schwingen und an die Hand herantreten). Wo genau ist nun aber vorne?

Zirkel:

Auf dem Zirkel auf gebogener Linie, ganz ohne den Gedanken an einen Seitengang, tritt das innere Hinterbein an der Körperseite, der Spur des inneren Vorderbeines folgend, möglichst weit nach vorne. Im Schulterherein verläßt das Bein die Körperlinie und greift unter den Körper, unter die Körpermitte „unterhalb“ der Wirbelsäule. Orientieren kann man sich am Hufabdruck.

Beim Longieren auf gebogener Linie darf das Pferd mit dem inneren Hinterbein in die Hufspur des inneren Vorderbeines, aber auch gerne ein Stück darüber fußen. Das ist der Vorgriff. Der Hufabdruck des inneren Hinterbeines im Schulterherein „steht alleine“ unter der Körpermitte, der Spur des äußeren Vorderbeines folgend. Schulterherein ist eine Steigerung der Zirkelarbeit. Die Arbeit auf dem Zirkel liegt deshalb vor der Arbeit an den Seitengängen (siehe dazu auch meinen anderen Artikel „Longierarbeit vor Seitengängen“).

Durch das Schulterherein bekommen wir eine Dehnung der äußeren Linie des Pferdes, die die Dehnung der Longenarbeit übersteigt. Durch diese Dehnung, wird das effektive Untertreten überhaupt erst möglich. Die äußere Dehnung bei einem nach innen gelösten Pferd ermöglicht wiederum Gewichtaufnahme mit dem inneren Hinterbein. Und darum geht es ja: das Pferd soll Gewicht aufnehmen und sich (und den Reiter) tragen. Das Schulterherein dient der Kräftigung der Hinterhand und ist einer der beiden geraderichtenden Elemente.

Schulterherein (innerer Hinterfuß) und Kruppeherein (äußerer Hinterfuß) spielen zusammen, richten das Pferd gerade und erzeugen Tragkraft. Beide Seitengänge sorgen für maximale Geschmeidigkeit und Dehnfähigkeit.

Mit dem Schulterherein möchten wir das innere Hinterbein UNTER und nicht weg vom Schwerpunkt arbeiten. Gymnastizierende Seitengänge haben nichts mit einem Beine kreuzen zu tun. Wir möchten Tragkraft bekommen und Geschmeidigkeit und Schulterfreiheit fördern.

Im Schenkelweichen bleibt das Pferd schief, der Rückenschwung geht verloren, die Schulter wird nicht frei, das Pferd wird eher auf die Schulter kippen. Es stützt sich ab.

Gymnastisch gesehen fehlt beim Schenkelweichen die so wichtige Biegung zur Geschmeidigkeit des Pferdes. Die Dehnung der äußeren Linie wird dabei gar nicht beachtet. Das Pferd tritt kurz und schwingt nicht.

Schulterherein arbeitet die äußere Dehnungslinie im Pferd und löst durch den Untergriff des inneren Hinterbeines vorallem auch Halsmuskulatur. Es findet Biegung und damit Dehnung in der Halswirbelsäule statt. Durch das Untertreten werden die Hinterhandgelenke bis in die Fessel hinein gedehnt. Das Pferd bekommt Oberschenkel- und Kruppenmuskulatur und leistungsfähige Gelenke.

Hilfreich ist Folgendes:

Manchmal sind es einfach die Begriffe, die uns durcheinander bringen. Wann kommt was und für was und in welchem Maße ist es gut?

Was hat das Pferd bisher gelernt und auf welche Signale reagiert es wie?

Ist dies für Gelenke und Tragkraft sinnvoll?

Ausbildung ist individuell. Man kann aber, wenn man es pauschal formulieren möchte, sagen: immer dann wenn Spannung auftritt, sollte man wieder zur Entspannung hinfinden: also Vorwärts-Abwärts lösen. Wenn man dennoch einzelne Elemente aufdröseln möchte, folgender Tip:

Mein Tip:

Füge eines nach dem anderen sinnvoll zueinander:

A: Arbeite im Vorwärts (Vorgriff aus der Hinterhand)

B: Löse das Pferd (Genick/ Schultern)

C: Lasse Untertreten (innerer Hinterfuß, Schulterherein: somit Steigerung der Tragkraft, Lösen der äußeren Linie)

D: Lasse den anderen Hinterfuß mal von der Bande/ dem Schenkel/ der Gerte weichen (z.B. auch zur Aufstieghilfe hin)

E: Setze dann alles zu einem Kruppeherein (äußerer Hinterfuß tritt unter) zusammen

D: wird die Bewegung steif bzw. das Pferd schwer in der Hand: beginne von vorne

 

Prüfstein:

Ist die Leichtigkeit in der Bewegung. Das Pferd sollte sich leicht in der Hand anfühlen, denn dann arbeitet die Hinterhand und deren Gelenke.

Eine Tücke gibt es dabei trotzdem: Es besteht die Gefahr, daß sich das Pferd verkriecht, also hinter der Senkrechten geht. Der Zügel wäre in diesem Falle auch leicht, aber Gelenke sind in diesem Fall nicht gebeugt, der Rücken schwingt nicht, das Pferd geht hinter der Hand. Durch ein Vorwärts an die Hand heranreiten, arbeitet man die Hinterhand erneut unter.

Auf einem Pferd, das sich selbst trägt, hat man das Gefühl auf der Hinterhand, nicht auf dem Rücken und nicht auf der Schulter zu sitzen. Das Pferd bewegt sich leise, weil es seine Gelenke benutzt. Das Pferd wird vorne leichter und in Summe elastischer.

 

 

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Sandra Mauer, blanq 

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