Longierarbeit vor Seitengängen?

  

Der große Begriff Bodenarbeit ist erstmal eine Überschrift für alles, was man am Boden so macht, wenn man nicht reitet.

Bodenarbeit beginnt bereits mit dem Führen des Pferdes, also bereits damit, wenn man das Pferd aus dem Stall holt. Schließlich muss man ja erstmal von A nach B kommen. Deswegen starten wir, (auch mit unserem Prüfungs- und Ausbildungsaufbau), mit den Führübungen (Level A) und machen dasselbe dann auch auf Distanz, das ist dann das Longieren (Level B). Das geht nahtlos ineinander über.



 

Inhaltlich bedeutet das ein fleißiges Laufen, auch Spazierengehen und das Führen des Pferdes mit den Übergängen zum Halten. Hier schaffen wir bereits eine sehr wichtige Grundlage für Vertrauen und Gehorsam und erste wichtige Hilfengebung. Wir lassen rechts und links herum antreten und jeweils auch durchparieren. Außerhalb der Reitbahn möchten wir ja auch sicher gehen, daß das Pferd an einer roten Ampel anhält und nicht einfach weitergeht. Wenn die Ampel aber grün ist, sollten wir uns schon bewegen, um im Verkehrsfluß zu bleiben.

Wir arbeiten diese sehr wichtigen Vorbereitungen mit der Körpersprache. Die Körpersprache ist aus dem natürlichen Herdenverhalten abgeleitet, so daß uns ein Pferd, daß in Herdenstruktur aufgewachsen ist, auch verstehen sollte.

Wenn wir diese Hilfengebung von Vorwärts und Verwahrend auf Abstand auf einem Zirkel arbeiten, ist das das Longieren. Hier gehen wir in die erste Grundgymnastik über. Das Pferd soll sich lösen, also Vorwärts-Abwärts entspannen und uns somit auch vertrauen. Wir geben weiterhin die Signale von Antreten lassen und Verwahren/ Durchparieren, wie in den ersten Führübungen auch, nur an der Longe.

Die weitere Bodenarbeit also z.B. die Seitengänge, das vermehrte, gezieltere und detaillierte Stellen und Biegen (z.B. im Halten oder auch durch das auf dem Zirkel Rückwärtslaufen), auch der Beginn der Schulparade, stufe ich in fortgeschrittene Bodenarbeit (Level C) ein (nicht zu verwechseln mit Handarbeit). Hier steigern wir die Geschmeidigkeit des Pferdes, wollen mehr Stellung und Biegung und einiges mehr an Dehnfähigkeit im Pferd. Das Pferd sollte bereits gut erzogen sein, gut zuhören können und uns vertrauen. Mit den Seitengängen fängt man in der Regel aber nicht an, wenn das Pferd noch nicht stillstehen, nicht zuhören kann, uns grundsätzlich eher noch in Frage stellt.

In der Regel sollte das Pferd vorab longiert werden, damit man erst ein flüssiges, lockeres Vorwärts im Pferd hat, denn das Vorwärts ist das Element, das am schnellsten wieder verloren geht, gerade bei der Arbeit an den Seitengängen, aber auch später in Versammlung. Die Bewegung wird dann schnell kurz und steif.

Bei älteren gesetzteren Pferden kann es durchaus möglich und auch sinnvoll sein, erst mit der gymnastischen Bodenarbeit, also im Stehen oder im Schritt anzufangen. Ganz in Ruhe kann man die Hilfengebung erklären, die Schulter etwas mobilisieren, jedes Bein sehr gezielt setzen lassen und erst nach und nach etwas mehr auf den Zirkel herauslassen. Ausbildung ist individuell, sie hängt durchaus mit dem jeweiligen Individuum zusammen.

Wenn wir aber von einem roten Faden in der Ausbildung ausgehen möchten, ist der logischere Schluß, von den anfänglichen Führübungen, auf einen Zirkel überzugehen. Wir möchten den Bewegungsdrang ja nicht wirklich ausbremsen, sondern nur etwas ordnen und das Pferd nach und nach mehr in Form bringen, an seiner Schiefe arbeiten.

Bei grundsätzlichen Erziehungs-Vertrauensfragen, hat man mit dem Longieren die Möglichkeit, das Pferd freier in seinen Bewegungen und dennoch auf sich aufmerksam zu bekommen. Für den Ausbilder ist das Arbeiten auf Abstand dann eine relativ ungefährliche Position.

Über das Longieren bekommen wir Erziehungsarbeit einerseits, freiere Vorwärtsbewegung andererseits ins Pferd gearbeitet, so daß sich das Pferd erstmal lösen kann, ohne daß man zu viel Konzentration auf ein zuviel an haargenauer einzelner Beinarbeit setzt. Das Pferd sollte immer Spaß an der Arbeit haben und die Lektionen bzw Positionen und Elemente, die wir dazu wählen, sollen das Pferd motiviert in seiner Ausbildung weiterbringen. Genauer und feiner kann man dann nach und nach werden bzw hier und da mal spielerisch mit einbauen.

Wenn wir zu früh akribisch höchstgymnastisch arbeiten (Schulparade, Seitengänge; Versammlung), kann es passieren, daß wir dem Pferd die Lust am Lernen nehmen. Es birgt Nachteile. Der Körper und der Geist des Pferdes müssen mitkommen können. Sonst gibt es Zerrungen und/ oder Frust. Die Vorwärtsbewegung und damit die Lockerheit geht sonst leider schnell verloren.

Gerade, wenn wir an der Hand arbeiten, kann es zwar sein, daß das Pferd „Seitengänge macht“, aber ein Grundvorwärtsschwung ausgebremst wird, weil wir ja nah am Pferd sind und die Arbeit ja auch mitlaufen müssen. Die Bewegung neigt dann einfach eher zum stocken.

Eine gute Mischung von allem ist wie immer sinnvoll und eine gute Lösung, hängt nunmal aber individuell mit dem jeweiligen Pferd (bzw dem Ausbilder) zusammen.

Aus einem guten Vorwärts und einem gehorsamen Pferd, bekommen wir sehr flüssige Seitengänge, ganz weiche Paraden und einen motivierten Geist. Sind wir zu strikt oder zu schnell in den Seitengängen bzw Paraden, bremsen wir das Vorwärts eher aus, dann ist die Bewegung nicht mehr flüssig. Dann drückt das Pferd auf die Hand, geht gegen. Eher muss man maßregeln und es entsteht schnell Frustration.

Die Seitengänge sollten aus einem Vorwärtsfluss heraus kommen, die Dynamik sollte erhalten bleiben. Allerdings muss das Pferd vorher auch gelernt haben, zuzuhören, so daß es nicht davoneilt, oder den Ausbilder ignoriert. Hier sind wir also wieder in der verwahrenden Körpersprache, die wir aus dem Führ- und Longiertraining aufgebaut haben sollten.

Das Longieren auf Körpersprache eignet sich optimal, weil es die Horsemanship-Arbeit gut mit einer ersten Grundgymnastik verbindet. Das Pferd soll ja gesund erhalten (oder rehabilitiert) werden.

Den Kappzaum braucht man zwar für die anfängliche Horsemanshiparbeit nicht. Ich habe ihn dennoch gerne direkt am Pferd, denn die Arbeit geht nahtlos ineinander über. Mit dem Kappzaum können wir bereits etwas Stellung erfragen, wenn das Pferd nach außen schaut so daß wir es wieder nach innen und unten Lösen. Es sind erste Stellungsideen in Bewegung.

Das lockere und entspannte Vorwärtsbewegen ist uns sehr wichtig. Spielerisch kann man die Hilfen nach und nach detaillierter einbauen, dem Pferd erklären und sie dann in Bewegung mitnehmen.

Die fortgeschrittene Bodenarbeit geht dann näher ins Detail. Man verfeinert die Arbeit.  Hier kommen die Seitengänge ins Spiel. Die Seitengänge im nächsten Schritt auch zu longieren ist schon ein recht hohes Niveau für Reiter und Pferd, weil man hier auf Abstand, die Seitengänge abfragt. Dazu benötigt man aber erst einen Anfang, einen Eingang quasi. Man fängt damit nicht an. Man erklärt dazu ja erst die Seitengänge aus der Nähe. Und die Seitengäge aus der Nähe sind ja nicht der Anfang, wenn man das Pferd aus der Box holt usw.

Man kann natürlich, wenn man es kann 😉, das Pferd komplett im Stehen ausbilden, Seitengänge erklären und die Paraden setzen😉 Umgekehrt ist das Pferd ja ein Bewegungstier und wir wollen ja auch reiten😉. Wir brauchen und wollen ja die Bewegung und möchten sie in eine schöne Form bringen, die wir angenehm reiten können und die das Pferd in die Balance bringt.

Hilfreich ist Folgendes:

Grundsatz:

Die Individualität der Geschichte von Reiter und Pferd sollte immer an erster Stelle stehen. Dieser Text dient mehr einem logischen roten Faden.

Kompromisse geht man in der Ausbildung immer ein.

Mein Tip:

Manche Pferde sind durchaus gut beraten, eher rehabilitativ sehr exakt und ruhig gearbeitet zu werden, so daß erst Hilfengebung erklärt wird und erstmal gelernt wird, jedes einzelne Bein im Schritt korrekt zu setzen. Doch sollte es möglich sein, wenn man es pauschal beschreiben möchte, freie lockere Longierbewegung immer wieder in die Arbeit mit einfließen zu lassen.

Ich empfehle, Longierarbeit immer wieder mal ins Training einzubauen, um eine Grundlockerheit im Pferd beizubehalten.

Prüfstein:

Die Harmonie sollte erhalten bleiben, nicht die Lektion oder die Arbeitsposition sind ausschlaggebend.

Seitengänge sollten nicht nur Seitengänge sein, sondern lockere Seitengänge mit echter Tragkraft.

Das Pferd sollte nicht nur die Lektion ausführen, weil es diese nunmal gelernt hat, sondern motiviert bei der Sache sein, „mitdenken dürfen“, eigene Ideen einbringen dürfen und Selbstwußtsein und Kraft ausstrahlen.

Prüfstein ist die Ausstrahlung Deines Pferdes. Wenn die Ausstrahlung verloren geht, kann die Lektion oder der Weg einfach nicht richtig sein.

Man sollte dann eine Pause machen. Danach wieder zurück an den Anfang, vielleicht einfach mal wieder „nur“ Spazieren gehen und nochmal ganz genau und in Ruhe schauen, wo die Harmonie und der Fluß verloren gegangen sind. Wo und warum habt ihr euch „verloren“ oder „festgezogen“? Was genau hat das Pferd nicht verstanden? Wie hat das Pferd reagiert? Und vielleicht auch die Frage: wie oft war der Tierarzt da und warum?

Erst dann geht es weiter.

Stelle Dir die Frage: Was möchtest Du ausbilden?

 

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Sandra Mauer,
blanq 

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