Gymnastische Arbeit: warum?

 

Gymnastik braucht das Pferd von Natur aus nicht wirklich. Es ist von Natur aus schief und vorderlastig und kommt sehr gut damit zurecht.

Probleme kommen erst dann auf, wenn sich der Mensch in die Natur der Dinge einmischt.

Sobald wir uns auf das Pferd setzen, egal was, wann und wie wir reiten wollen, begünstigen wir die Vorderlastigkeit und machen uns den Rücken des Pferdes in seiner Schiefe untertan. Das kann man natürlich machen. Ich verurteile das nicht. Irgendwie und irgendwo fangen wir alle an oder haben wir alle mal angefangen. Der eine möchte mehr wissen, der andere nicht.

Dieser Artikel und meine Arbeit soll denen, die mehr wissen möchten dienen. Sie soll den Pferden dienen, von denen im Endeffekt wir Menschen viel mehr lernen können, als das Pferd von uns. Das Pferd als Solches kommt wunderbar auch ohne unser Zutun zurecht. Umgekehrt ist es aber so, daß ein Pferd unser Leben ungemein bereichern kann, wenn wir uns auf diese Reise einlassen.

 


 Foto: Nina Schmaus

Damit die Wirbelsäule, bzw. auch andere Knochen und Gelenke des Pferdes trotz des Reiters unbeschadet bleiben, gilt es, das Pferd muskulär aufzubauen.

Wenn die Gymnastizierung des Pferdes nicht im Vordergrund steht, wird das Pferd in seiner Schiefe geritten. Der logische Schluß daraus ist

-       einseitige Abnutzung

-       Spannungen

-       Verschleiß

-       Disharmonie oder Konflikte.

Ein linkshändiges Pferd z.B. geht nicht so einfach locker flockig rechts herum auf dem Zirkel. In der Natur geht das Pferd keinen Kreis, vorallem nicht Runde um Runde und in allen Gangarten.

Allein der getragene Kappzaum gibt nicht den Anspruch auf Gesundheit, benutzt man ihn falsch oder gar nicht. Wird er z.B. nicht benutzt, so kann das Pferd ggf. eine Vorwärts-Abwärts-Tendenz zeigen, allerdings wird es dies mit Vorliebe äußerst vorderlastig, ohne Stellung, somit ohne Biegung und am liebsten in seiner vorhandenen Schiefe tun.

Manche Ausbildungsmethoden im erzieherischen Bereich beinhalten leider nicht immer sinnvolle Gymnastik, auch wenn das Pferd gehorsam ist. Gymnastisch gesehen werden dem Pferd dabei oftmals falsche Bewegungsmuster gelehrt, die nicht selten zu Schäden am Pferd führen, z.B. ein Drehen über die Gelenke, damit das Pferde „weicht“ oder „wendet“. Häufig treten Widerstände aufgrund von Verspannungen, Schmerz und Konflikten auf und / oder Tierarzt und Osteopath sind häufig da.

Die Folgen der Verspannungen manifestieren sich dann in verschiedenen Diagnosen. Fehlbemuskelungen, Verspannungen, Lahmheiten, Widerstände sind häufig die Folge. Ein Muskel, der nicht adäquat arbeiten kann, behindert Knochen und Gelenke. Allgemein spricht man von Verschleiss.

Korrekte gymnastische Arbeit beeinhaltet Erziehungs- und Vertrauensarbeit, leitet aber bereits sinnvoll in eine dehnende und kraftaufbauende Muskelarbeit über. Das Pferd soll sich locker bewegen können, beide Seiten möglichst gleichmäßig nutzen können. Es sollen korrekte Bewegungsmuster gelehrt werden, um Spannungen und Konflikte zu vermeiden/ zu reduzieren.  

Das Pferd sucht von sich aus gerne den bequemen Weg. Geritten z.B. möchte es den Reiter am liebsten so hinsetzen, wie es für sich selbst bequem ist, also in die vorhandene Schiefe. 

Deshalb wird gerne zu Ausbindern und anderen Hilfsmittel gegriffen, oder mit „enger Zügelhand“ geritten, weil man dann vermeintlich das Pferd besser geraderichtet. Das ist aber ein Trugschluß. Die Hilfsmittel geben einen vermeintlichen Rahmen vor. Das Pferd findet in diesem Fall aber nicht selbst dorthin.

Unsere Arbeit setzt an einer anderen Stelle an: Wir möchten dem Pferd Bewegungsmuster aufzeigen, sich selbst besser auszubalancieren und zu tragen. Unser Augenmerk liegt primär auf der Hinterhand des Pferdes. Es geht um maximale Geschmeidigkeit. Durch Geschmeidigkeit entsteht Tragkaft und Balance. Das Pferd sollte nicht in eine Form gezwungen werden, wir möchten langfristg aufbauen. Wir fangen mit der Dehnung an, um dann Tragkraft hinzuzufügen. Die Dehnungen, die erarbeitet werden, öffnen den Körper auf beiden Händen.

Das Pferd lernt Schritt für Schritt „das kleine 1x1“, auf dem wir bis zur Hohen Schule aufbauen können, wenn wir das wollen. Ist keine saubere 1x1 Grundlage gelegt, wird es schwierig, höhere Ziele zu erreichen, oder diese Ziele haben lediglich Namen, die Lektion selbst steht aber unter Spannung, ohne Rückenschwung. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Eine Piaffe ist auch nur ein versammelter Trab. Allerdings muss vorher erst Dehnungsbereitschaft erarbeitet worden sein. Wenn der Rückenschwung verloren geht, ist Versammlung nicht real. Die Hohe Schule muss nicht sein. Aber eine saubere Basis schafft jedenfalls Harmonie und eine grundlegende Gymnastizierung.

Die Tücke ist die: dieser Weg ist keine Schnellkur. Es braucht Zeit. Zu Beginn arbeitet man viel am Boden. Geritten arbeitet man sehr viel an seinem Sitz, an einem Körperbewußtsein, an der eigenen Schiefe. Kleine Veränderungen, bewußte Wahrnehmungen können aber bereits intensive Erlebnisse von Harmonie bedeuten. Alles fühlt sich weicher und gemeinsam an.

Die Schwierigkeit besteht oft ganz woanders: ganz bei sich selbst und seinem Pferd zu bleiben und durchzuhalten. Wenn „alle anderen“ reiten und man selbst „immernoch am Boden arbeitet“, fragt man sich natürlich manchmal, warum man das Alles eigentlich macht. Aber es lonht sich durchzuhalten, weil man mit einem zufriedenen, stolzen und geschmeidigem Reitpferd belohnt wird.

Uns geht es nicht um das schnelle Reiten und Ausbilden. Uns geht es um das schöne, im Einklang und bewußte Reiten und Fühlen. Es sind oft kleine Momente voller Leichtigkeit, die den Reiz dieser Arbeit ausmachen.

Diese Momente gilt es immer wieder auch auf verschiedenen Level zu suchen. Im Endeffekt entwickelt man das Gefühl der Leichtigkeit nach vorne durch das Arbeiten an den Lektionen. Automatisch werden Pferd und Reiter in den Lektionen weiter ausgebildet. Wir suchen den Moment der Leichtigkeit, der Abwesenheit von Spannung und wollen diesen erweitern bzw in anderen Situationen, Lektionen, Gangarten erleben. Ein Pferd, das sich bereits im Schritt real auf der Hinterhand trägt, also in Dressurhaltung am durchhängenden Zügel bewegt, gibt dem Reiter ein freies und leichtes und majestätisches Gefühl. Man fühlt sich automatisch besser, weil das Pferd sich selbst stolz präsentiert. Stolz und leicht. Aber nicht stolz und prunk. Das ist ein Unterschied. Das eine liegt im Innen, das andere im Außen. Man reitet damit in erster Linie für das eigene innere Gefühl und nicht für das, daß es andere sehen oder bewundern sollen. Man tut es für sich und sein Pferd. Wir suchen die Momente der Harmonie und Leichtigkeit, nicht die, der Schnellebigkeit oder des äußeren Scheins.

Wir haben die Möglichkeit, maximale Dehnfähigkeit und maximale Geschmeidigkeit zu erarbeiten und zwar unabhängig der Rasse oder der Vorgeschichte des Pferdes. Damit ist es möglich, ein lockeres Pferd zu entwickeln, welches ein Genuss zu reiten ist, welches Kraft ausstrahlt durch Hankenbeugung, Schulterfreiheit, Wendigkeit, Elastizität oder, wenn man den Basis-Bereich beschreiben möchte: ein lockerer Begleiter, der nicht in Form gezwungen wird, sondern sich in die Form hinein bewegen darf.

Es mag schon sein, daß das nicht jedermanns Sache ist. Das muss auch nicht. Ich möchte den Reiz, den ich selbst dabei empfinde gerne an diejenigen weitergeben, die dasselbe suchen.

Sind die Führübungen in der Basisarbeit sauber ausgearbeitet, fällt das Longieren bereits viel leichter. Lässt sich das Pferd schön longieren, ist es automatisch angenehmer zu reiten. Lässt es sich im Schritt gut reiten, ist Trab nur eine Gangart. Ein sich selbst tragendes Pferd lässt den Reiter wesentlich besser sitzen. Das Reitgefühl wird leichter und angenehmer. Dieser Weg ist aber keine Schnelldressur, sondern eine solide Schule.

Ein paar anatomische Grundlagen gehören dazu, was nicht heißt, daß man in die höchste Dressur oder ein Studium, höchste Versammlung oder Detailarbeit einsteigen muss. Aber man hat die Möglichkeit, es zu dürfen. Und das ist ja das Schöne daran.

Diese Arbeit ist eine Reise, weil man durch das Pferd die Chance bekommt, über sich selbst zu lernen. Wie reagiere ich, wenn etwas nicht klappt? Wie oft mache ich Pausen? Wie oft lobe ich mein Pferd? Wie antwortet mein Pferd auf meine Fragen (Hilfengebung)? Wird es zwischen uns besser, harmonischer, weicher? Oder treten Konflikte auf, Spannungen, Widerstände? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Wie verhalte ich mich, wenn der Tag und die Umstände zum Reiten eigentlich nicht ganz so geeignet sind? Presse ich mein Pferd hindurch oder nehme ich es gelassen hin?

Hilfreich ist Folgendes:

Ich möchte an dieser Stelle gerne empfehlen zu lesen.

Beschäftigt man sich auch in der Theorie mit der Anatomie des Pferdes, ist es leichter die Zusammenhänge zu verstehen. Der Körper ist kein starres Konstrukt. Sehnen, Bänder und Muskeln bewegen Knochen. Je gedehnter ein Muskel, desto geschmeidiger der Körper. Auch die menschliche Anatomie ist natürlich sehr wichtig und interessant, vorallem, wenn es um den Sitz des Reiters geht.

Ein paar Quellen möchte ich hier aufführen. Es gibt aber natürlich etliche weitere Quellen

Zum Weiterlesen:

Rüsbüldt, Anke, „Rückenprobleme bei Pferden Vorbeugen, Erkennen, Behandeln“, 1999, Cadmos

Blendinger, Wilhelm, „Gesundheitspflege und Erste Hilfe für das Pferd“, 1980, Parey

Verwaltungsberufsgenossenschaft- VBG, „Reitsport als Sportmedizin“, 2007

Crnjac, Demitrij, „Piaffe und Passage- Schritte zur hohen Schule“, 2002, Cadmos

 

Mein Tip:

Die Beschäftigung mit der Anatomie von Pferd und Mensch ist eine gute Grundlage sich intensiver mit der Bewegung beider Körper auseinander zu setzen.

Prüfstein:

Ein Pferd, das gerne bei Dir ist und sich wohlfühlt, ist oft zu viel mehr fähig, als man es möglicherweise vorher vermutet.

Ein entspanntes Pferd ist eine gute Voraussetzung, um Körper und Geist sinnvoll aufzubauen.

Schöne Lektionen sind entspannte Lektionen, die dennoch mit stolzer Kraft ausgeführt werden. Der Prüfstein ist die Ausstrahlung😉

 

Mehr Infos findet ihr auch auf unserem YouTube Kanal




 
Sandra Mauer, blanq 

 Impressum & Datenschutz

Kommentare